Arbeitnehmer ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber (ANobAG)

Alle Personen, die in der Schweiz leben oder arbeiten, müssen ab dem 1. Januar nachdem sie das 20. Lebensjahr vollendet haben, bis zum Pensionsalter AHV-Beiträge bezahlen (Art. 1 und Art. 3 AHVG). Solange sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in der Schweiz leben, bzw. einen Sitz in der Schweiz haben, kommen meist keine Probleme oder Fragen auf. Unklarheiten kommen meist dann auf, wenn eine Person in der Schweiz lebt und für einen Arbeitgeber tätig ist, welcher keinen Sitz in der Schweiz hat.

Als Arbeitnehmer ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber ("ANobAG") gelten Personen mit Arbeitsort in der Schweiz, die für einen Arbeitgeber arbeiten, welcher in der Schweiz nicht beitragspflichtig ist. Als Arbeitgeber in diesem Sinne in Frage kommen beispielsweise ausländische Firmen ohne Domizil in der Schweiz oder Botschaften / Konsulate.

Die Thematik hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da für immer mehr Arbeitsstellen keine Präsenz des Arbeitgebers im gleichen Land mehr notwendig ist. Gleichzeitig wuchs das Bewusstsein, dass bei Tätigwerden für nur eine "Auftraggeberin" oft eine Scheinselbstständigkeit besteht und die entsprechende (faktische) Arbeitgeberin Gefahr läuft mit Sozialabgaben nachbelastet zu werden. Es gibt daher eine steigende Anzahl Arbeitnehmer, die für ein ausländisches Unternehmen ohne Sitz in der Schweiz von hierzulande aus tätig sind, und somit als ANobAG gelten.

Wer muss AHV-Beiträge bezahlen?

In Art. 1a Abs. 1 lit. a und lit. b hält das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) fest, dass natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und natürliche Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben, obligatorisch in der Alters- und Hinterlassenenversicherung ("AHV") versichert sind. Die AHV-Beitragspflicht knüpft also primär am Standort der Arbeitnehmer an, diese besteht auch wenn die Arbeitgeber kein Domizil oder Sitz in der Schweiz haben.

Grundsätzlich spielt es hinsichtlich der AHV-Versicherungspflicht der betroffenen Person keine Rolle, ob sich die Arbeitgeberin in der EU/EFTA oder in einem Drittstaat befindet. Die Modalitäten unterscheiden sich aber je nach Domizilort der Arbeitgeberin. Mit knapp 50 Staaten hat die Schweiz Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Ziel dieser Abkommen ist primär die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der Vertragsparteien, die Bestimmung der anwendbaren Gesetzgebung und die Zahlung der Leistungen ins Ausland. Die bedeutendsten Abkommen bestehen mit der EU/EFTA: Arbeitgeber aus diesen Ländern sind aufgrund dieser Abkommen grundsätzlich gegenüber der AHV beitragspflichtig (weshalb man in dieser Konstellation auch von «unechten ANobAG» spricht).

Die Modalitäten für die Durchführung bzw. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (und damit der Sozialversicherungen) zwischen der Schweiz und EU/EFTA Staaten werden in der Verordnung (EG) Nr. 987/09 festgelegt.

Die Bestimmungen sehen vor, dass Schweizer Arbeitnehmer, sowie solche aus EU/EFTA-Staaten mit ihren Arbeitgebern mit Sitz in der EU/EFTA vereinbaren, dass die Arbeitnehmer die Sozialversicherungsbeiträge selbst abrechnen. Der Beitrag ist aber von dem ausländischen Arbeitgeber zu vergüten. Dies bedeutet, Arbeitgeber überweisen den Arbeitnehmern den gemäss Schweizer Recht geschuldeten Arbeitgeberbeitrag zusätzlich zum Lohn (Art. 21 der Verordnung Nr. 987/09). Ein Formular für eine entsprechende Vereinbarung ist auf der Seite des SVA zu finden (deutsche Version / englische Version).

Arbeitnehmer mit anderer Nationalität und Arbeitnehmer mit Arbeitgebern ausserhalb der EU/EFTA sind selbst für die Abrechnung ihrer Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich. Sie benötigen diesbezüglich aber keine Vereinbarung mit den Arbeitgebern, da diese nicht beitrags- bzw. vergütungspflichtig sind.

Diese Arbeitnehmer müssen sich bei der AHV-Ausgleichskasse ihres schweizerischen Wohnorts (bei fehlendem Wohnsitz in der Schweiz bei der AHV-Ausgleichskasse am Arbeitsort bzw. der AHV-Ausgleichskasse des Berufsverbands) anmelden und die geschuldeten AHV-Beiträge vollumfänglich selbst bezahlen.

Gilt dies auch für vorübergehende Einsätze?

Werden Arbeitnehmer von Arbeitgebern im EU-/EFTA-Raum nur vorübergehend in die Schweiz entsandt, bezahlen sie weiterhin in demjenigen Staat Beiträge an die lokale Sozialversicherung, aus welchem sie in die Schweiz entsandt wurden und in welchen sie wieder zurückkehren. Sie bleiben also auch weiterhin in diesen Sozialversicherungen versichert (Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Auch hier gilt, dass sich nur Staatsangehörige der Schweiz oder eines Mitgliedstaates des EU-/EFTA-Raumes auf diese Bestimmungen berufen können. Eine Entsendedauer dauert in der Regel bis zu 24 Monaten. Arbeitgeber, die Arbeitnehmer von einem EU-/EFTA-Staat in die Schweiz entsenden, haben vor Beginn der vorübergehenden Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Schweiz von der zuständigen Behörde in ihrem Domizilstaat, eine Entsendungsbescheinigung zu beantragen (Bescheinigung A1).

Arbeitnehmer von Arbeitgebern aus Staaten ausserhalb des EU-/EFTA-Raumes, zu denen ein Sozialversicherungsabkommen besteht, werden ähnlich behandelt. In diesen Abkommen ist jeweils vorgesehen, dass Arbeitnehmer weiterhin der Gesetzgebung des Ursprungslandes unterstellt bleiben. Die Höchstdauer dieser Erstentsendung variiert je nach Abkommen zwischen 12 und 60 Monaten.

Arbeitnehmer mit Arbeitgebern in Staaten, zu denen kein Sozialversicherungsabkommen besteht, müssen sich grundsätzlich in der Schweiz obligatorisch versichern, wenn sie länger als drei aufeinanderfolgende Monate pro Kalenderjahr hier tätig sind. Ist auch nach ausländischem Recht eine weiterbestehende obligatorische Versicherung vorgesehen, und würde der Einbezug in die schweizerische Versicherung eine nicht zumutbare Doppelbelastung bedeuten, kann bei der AHV-Ausgleichskasse ein entsprechendes Gesuch, um Befreiung von der Beitragspflicht gestellt werden.

Wie verhält es sich mit der 2. Säule?

Die Unterscheidung, ob sich die Arbeitgeberin in der EU/EFTA oder in einem Drittstaat befindet, hat auch Bedeutung im Bereich der zweiten Säule (d.h. in der berufliche Vorsorge ["BVG"]). Art. 1j Abs. 1 lit a der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) hält fest, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber nicht gegenüber der AHV beitragspflichtig ist, nicht der obligatorischen Versicherung unterstellt sind.

Für die sog. unechten ANobAG folgt daraus, dass sie zu den gleichen Bedingungen wie Arbeitnehmer mit schweizerischen Arbeitgebern BVG-pflichtig sind, da ihre Arbeitgeber aufgrund der Abkommen AHV-beitragspflichtig sind.

Für die sog. echten ANobAG, also solche mit Arbeitgebern ausserhalb der EU/EFTA/UK gilt dies nicht. Sie sind aufgrund Art. 1j Abs. 1 lit a BVV 2 von der BVG-Beitragspflicht befreit.

Problematisch in der Praxis ist, dass bei weitem nicht alle Versicherungsgesellschaften BVG-Lösungen für ANobAG anbieten. Um der Anschlussverpflichtung gerecht zu werden, bleibt oftmals lediglich die Anmeldungsmöglichkeit bei der Stiftung Auffangeinrichtung.

Was ist bei einer internationalen Arbeitstätigkeit?

Im Grundsatz gilt, wie bereits erwähnt, dass sämtliche Abgaben immer nur in einem Land bezahlt werden, um international tätige Personen vor einer Doppelunterstellung zu bewahren und nicht mit dem Verlust von Ansprüchen zu belasten. Die entsprechende Person untersteht für gewöhnlich den Rechtsvorschriften des Wohnstaates, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.

Wenn solche international tätigen Arbeitnehmer in EU-/EFTA-Staaten tätig sind, so ist das Freizügigkeitsabkommen (FZA) zwischen der Schweiz und EU-/EFTA-Staaten bzw. sind weitere Sozialversicherungsabkommen zu beachten für die Frage, wo Beiträge entrichtet werden müssen.

Bei den übrigen bilateralen Sozialversicherungsabkommen unterstehen erwerbstätige Personen jeweils dem Sozialversicherungssystem des Vertragsstaats, in welchem sie die entsprechende Tätigkeit ausüben. Sie sind also jeweils in beiden Staaten versicherungs- und beitragspflichtig, jedoch nur für das dort erzielte Einkommen. In den meisten Fällen gilt dies aber nur, sofern die Arbeitnehmer Staatsangehörige der Schweiz oder des entsprechenden Vertragsstaates sind.

Alle anderen Staatsangehörigen sind, wenn sie in der Schweiz wohnen, auch für das im Ausland erzielte Einkommen in der Schweiz versichert und beitragspflichtig.

Welche Versicherungspflichten oder Ansprüche bestehen zusätzlich?

Unabhängig vom Domizil des Arbeitgebers besteht für Arbeitnehmer in der Schweiz die Pflicht, sich gegen Unfall zu versichern (Art. 1a Abs. 1 lit. a UVG).

Für Arbeitnehmer, die in die Schweiz ziehen ist es zudem wichtig zu wissen, dass die Krankenversicherung für die gesamte Wohnbevölkerung obligatorisch ist. Die versicherungspflichtige Person schliesst die Versicherung selbst ab und kann frei wählen, welchem zugelassenen Krankenversicherer sie beitreten möchte (mehr Informationen).

Für ANobAG können unter Umständen aber auch Ansprüche bestehen: Die finanziellen Mehrbelastungen, die durch Kinder entstehen, sollen teilweise durch sog. "Familienzulagen" ausgeglichen werden. Dabei handelt es sich um monatliche Zuschüsse, die in der Höhe und Art von Kanton zu Kanton unterschiedlich sein können. Anspruch auf Familienzulagen besteht dabei grundsätzlich unabhängig von der persönlichen oder beruflichen Situation der Eltern. Da ANobAG der Schweizer Sozialversicherung unterstellt sind, können auch sie, sofern sie anspruchsberechtigt sind, einen Antrag auf Familienzulagen stellen (Art. 13 Abs. 2 FamZG). Sofern die betroffenen Kinder ebenfalls in der Schweiz leben, gelingt dies ohne Weiteres. Auch ungekürzt ausgeschüttet werden die Familienzulagen für Kinder von Staatsangehörigen von EU- bzw. EFTA-Ländern, die in Ländern der EU bzw. der EFTA wohnen. Leben die Kinder in einem anderen Staat, kommt es darauf an ob ein Sozialversicherungsabkommen besteht, und ob dieses einen Anspruch auf Zulagen begründet. Ohne Abkommen, bzw. ohne entsprechende Anspruchsbegründung können in der Schweiz für Kinder im Ausland keine Zulagen bezogen werden.

Was ist in Bezug auf die AHV-Beiträge zu tun?

Arbeitnehmer haben sich bei einer AHV-Ausgleichskasse anzumelden, um die geschuldeten Beiträge abzurechnen.

Schweizer Arbeitnehmer sowie solche aus EU-/EFTA-Staaten mit Arbeitgebern aus EU-/EFTA-Ländern, sind beitragspflichtig und haben sich bei der AHV-Ausgleichskasse selbst anzumelden. Dazu ist für jedes Arbeitsverhältnis eine unterzeichnete Vereinbarung nach Artikel 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/09 zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie eine Kopie des Arbeitsvertrags erforderlich.

Arbeitnehmer, welche nicht Bürger aus EU-/EFTA-Staaten sind und Arbeitnehmer mit Arbeitgebern ausserhalb der EU/EFTA rechnen ebenfalls selbstständig mit der AHV-Ausgleichskasse ab. Dazu müssen sie aber lediglich eine Kopie des Arbeitsvertrags einreichen. Da die Arbeitgeber in dieser Konstellation keine Pflicht haben, die entsprechenden Beiträge zusätzlich zum Lohn zu vergüten, braucht es keine zusätzliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Arbeitgeber ohne Sitz in der Schweiz müssen keine Beträge direkt an Schweizerische Sozialversicherungsanstalten leisten.

Aber wie bereits erläutert, sind Arbeitgeber aus EU-/EFTA-Ländern, welche Arbeitnehmer in der Schweiz beschäftigen wollen und hier keinen Sitz haben, dennoch (indirekt) beitragspflichtig. Sie haben mit den entsprechenden Arbeitnehmern eine Vereinbarung zu treffen, dass die Arbeitnehmer direkt mit der Sozialversicherungsanstalt abrechnen. Die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge haben Arbeitgeber, den Arbeitnehmern zusätzlich zum Lohn zu vergüten. Zudem haben Arbeitgeber die Ausgleichskasse über die Vereinbarung mit den Arbeitnehmern zu informieren. Gut zu wissen ist zudem, dass trotz Vereinbarung und Information die Arbeitgeber gegenüber den Trägern der sozialen Sicherheit haftbar bleiben.

Arbeitgeber ausserhalb der EU-/ EFTA-Ländern sowie dem Vereinigten Königreich, zu denen kein Abkommen besteht, müssen sich nicht mit den Sozialversicherungsbeiträgen befassen, auch wenn ihre Arbeitnehmer in der Schweiz abgabepflichtig sind.

Bei Fragen zur Abgabepflicht von Arbeitnehmern in der Schweiz stehen Ihnen Arife Asipi und Balthasar Wicki gerne zur Verfügung. Selbstverständlich bieten wir auch Hand in der Ausarbeitung von Arbeitsverträgen und Abgabevereinbarungen mit ANobAG.