Vertragsrückabwicklung aufgrund höherer Gewalt (Force Majeure): Beispiel Fitness-Abo

Aufgrund der angeordneten Betriebsschliessung in der COVID-19 Verordnung 2 können viele Betroffenen ihre Verträge nicht mehr erfüllen. Wie sieht die Rechtslage aus bei Verträgen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, bspw. einem Fitness-Abo?

Für die Bestimmung der Rechtsfolgen muss zuerst das einzelne Vertragsverhältnis analysiert werden - je nach Art des Geschäfts unterscheiden sich die Folgen.
— RA Rebecca Isenegger

Dauerschuldverhältnisse

Neben Verträgen mit einem einmaligen Leistungsaustausch gibt es auch Verträge, bei denen über einen längeren Zeitraum eine Leistung geschuldet ist. Beispiele dazu sind das Fitness-Abo oder das Mietverhältnis. Man spricht dabei von Dauerschuldverhältnissen.

Dauerschuldverhältnisse besitzen von Gesetzes wegen ein Kündigungsrecht. Sofern wichtige Gründe (z.B. Erschwerung des Vertragszweckes) vorliegen, kann ausserordentlich gekündigt werden. Was ein wichtiger Grund darstellt, beurteilt ein Gericht nach dessen Ermessen. Zudem können wichtige Gründe auch in individuellen Verträgen definiert werden. Das Fitnesscenter, das die Leistung aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschliessung an seine Abonnenten nicht mehr erbringen kann, kann zugleich auch den Zweck des Vertrages nicht mehr erfüllen. Daher wäre hier wohl ein wichtiger Grund zu prüfen.

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Durch das behördliche Verbot kann das Fitnesscenter die Leistung nicht mehr erfüllen, sie wird unmöglich. Zur Bestimmung der Rechtsfolgen für die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung ist zunächst der geschuldete Leistungszeitpunkt nach dem individuellen Vertragsverhältnis zu bestimmen. Im genannten Beispiel des Fitness-Abos wird das Fitnesscenter beispielsweise verpflichtet sein, dem Abonnenten die Leistungen während der Öffnungszeiten durchgehend anzubieten. Ist dies nicht möglich, so kommt das Fitnesscenter grundsätzlich mit jedem Tag, an dem es die Leistung nicht wie vertraglich vereinbart erbringen kann, in Verzug. Da der jederzeitige Leistungsbezug bei einem Fitness-Abo wohl eher nicht zum absolut notwendigen Vertragsinhalt gehört, ist von vorübergehender Unmöglichkeit auszugehen. Daher sind die Verzugsregeln im Sinne von Art. 102 ff. OR anzuwenden. Der Abonnent wird die Wahlrechte zwischen Festhalten am Vertrag und Ersatz des Verspätungsschadens, Verzicht auf die Leistung und Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt von Vertrag haben.

Der Unterschied bei einem Dauerschuldverhältnis ist, dass der Rücktritt mit Wirkung auf den Anfang des Vertragsverhältnisses nicht mehr möglich ist, da gewisse Leistungen ja schon erbracht wurden. Bspw. hat der Abonnent im Januar und Februar schon im Fitnesscenter Leistungen bezogen. Das Abo wurde zudem in Voraus für das ganze Jahre bezahlt. Hier wird sich die Rückabwicklung darauf beschränken, das Vertragsverhältnis mit Wirkung für die Zukunft rückabzuwickeln ist. Dabei wird jeder Vertragspartei das bereits geleistete angerechnet und das Ungleichgewicht, bspw. mit einer Rückvergütung an den Abonnenten ausgeglichen. Eine praktikable Lösung wäre ebenfalls, die “verpasste” Leistung an die Vertragsdauer des Abos anzurechnen, indem das Abo um die Dauer des Betriebsverbotes verlängert wird. Dazu wird am Besten der Kontakt mit dem Fitnesscenter aufgenommen.


Dieser Beitrag wurde von RAin Rebecca Isenegger verfasst.

Für weitergehende Auskünfte zum Thema Vertragsrecht wenden Sie sich bitte direkt an Arife Asipi.