Coronavirus und COVID-19 aus Arbeitgebersicht

Die Zahl der Erkrankungsfälle von COVID-19 nimmt in der Schweiz rasch zu. Aktuell wurden schon über 3000 Personen positiv getestet (Stand 18. März 2020). Über 20 Personen sind bereits daran verstorben. Die Menschen haben Angst und befürchten eine Ansteckung. In diesem Zusammenhang stellen sich viele arbeitsrechtliche Fragen. Wie können die Arbeitnehmer möglichst geschützt werden, ohne dass die Produktivität zu sehr leidet? Wie verhält es sich mit der Lohnfortzahlungspflicht? Darf Home-Office angeordnet werden? Diesen Fragen soll hier nachgegangen werden.

Fürsorgepflicht und Weisungsrecht des Arbeitgebers

Basierend auf Art. 328 OR und Art. 6 ArG hat der Arbeitgeber die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen und auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen. Er hat zum Schutz von Leben und Gesundheit seiner Angestellten die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig und nach dem Stand der Technik anwendbar sind und den Verhältnissen des Betriebs entsprechen. Dazu gehört aktuell, dass die Arbeitnehmer auf die geltenden Hygienevorschriften des BAG hingewiesen werden und dass die dort aufgezeigten Massnahmen im Betrieb eingehalten werden. Der Arbeitgeber hat gestützt auf sein Weisungsrecht nach Art. 321d OR auch die Möglichkeit, noch weitergehende Massnahmen anzuordnen. So kann er zum Beispiel die Mitarbeiter verpflichten, Home-Office zu machen, in der Kantine oder am Arbeitsplatz die Einhaltung bestimmter Mindestabstände vorschreiben oder das Händeschütteln in den Geschäftsräumlichkeiten verbieten.

Wann hat ein Arbeitnehmer trotz COVID-19 Anspruch auf Lohn?

Art. 324a OR sieht vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Bezahlung des Lohnes hat, wenn er aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit oder Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist. In diesem Fall besteht der Lohnanspruch des Arbeitnehmers für eine beschränkte Dauer weiter unter der Voraussetzung, dass er dem Arbeitgeber möglichst schnell die Arbeitsunfähigkeit meldet und ihm dann innert nützlicher Frist ein Arztzeugnis zustellt. Die nachfolgenden Beispiele erläutern, wann ein Arbeitnehmer in Anwendung des oben genannten Artikels Anspruch auf Lohn hat.

Arbeitnehmer hat Angst sich anzustecken

Wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Massnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter unternimmt, hat der Arbeitnehmer, der die Arbeit aus Angst, er könne sich anstecken nicht antritt, keinen Lohnanspruch. Er riskiert sogar gemäss Art. 337d OR wegen Verweigerung der Arbeitsleistung die Kündigung.

Selbstquarantäne und Pflege erkrankter Angehöriger

Wenn ein Arbeitnehmer den Weisungen des BAG folgend sich im Verdachtsfall in Selbstquarantäne begibt, liegt der Grund für die Arbeitsverhinderung bei der Person des Arbeitnehmers. Er hat Anspruch auf Lohnfortzahlung. Die in vielen Betrieben geltende Regelung, dass ab dem dritten Tag der Arbeitsverhinderung ein Arztzeugnis beizubringen sei, sollte in der aktuellen Situation mit zunehmenden Fällen einer COVID-19 Infektion überdacht werden. Um die medizinische Infrastruktur nicht zu überlasten, macht es Sinn, Arztzeugnisse erst ab einem späteren Zeitpunkt zu verlangen. Die allfällige Anpassung entsprechender betrieblicher Weisungen macht durchaus Sinn. Ebenfalls gestützt auf Art. 324a OR hat ein Arbeitnehmer einen Lohnanspruch, wenn er nicht selber erkrankt, sondern wenn er zum Beispiel kranke Angehörige pflegen muss. Allerdings ist in diesem Fall der Arbeitnehmer verpflichtet, möglichst schnell (in der Praxis gilt eine Frist von 3 Tagen) eine Ersatzlösung für die Pflege der erkrankten Angehörigen zu organisieren.  

Den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer verbinden vielfältige Rechte und Pflichten, ganz besonders auch in dieser Ausnahmesituation.
— RA Anita Hug

Behördlich verfügte Quarantäne

Gleich verhält es sich, wenn ein Arbeitnehmer durch behördliche Anordnung in Quarantäne gestellt wird, ohne dass er selber erkrankt ist oder das Virus bei ihm nachgewiesen wird. Auch in diesem Fall besteht gestützt auf Art. 324a OR ein Lohnanspruch des Arbeitnehmers für eine beschränkte Dauer. Diese Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a OR besteht selbstverständlich erst recht, wenn ein Arbeitnehmer tatsächlich am Coronavirus erkrankt ist und sich deswegen in Spitalpflege begeben muss oder zu Hause die Erkrankung auskurieren muss. Der Lohnanspruch kann aber eventuell verweigert werden, wenn sich der Arbeitnehmer freiwillig in Gefahr gebracht hat indem er zum Beispiel trotz Kenntnis der Gefahren einer Ansteckung sich in ein mit einer Reisewarnung belegtes Land begeben hat.

Besonders gefährdete Person

Art. 10c der Verordnung 2 des Bundesrats über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sieht ausdrücklich vor, dass besonders gefährdete Personen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten von zu Hause aus erledigen sollen. Wenn dies nicht möglich ist, so sind sie vom Arbeitgeber zu beurlauben mit voller Lohnzahlungspflicht. Besonders gefährdete Personen sind Menschen ab 65 und Personen mit folgenden Erkrankungen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-, Kreislauferkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Immunschwäche und Krebs.

Quarantäne einzelner Betriebe oder ganzer Gebiete

Wenn ein einzelner Betrieb unter Quarantäne gestellt wird, ist in Anwendung von Art. 324 OR der Arbeitgeber in Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung. In diesem Fall haben die betroffenen Arbeitnehmer weiterhin Anspruch auf Bezahlung des Lohnes. Wenn ein ganzes Gebiet durch behördlichen Entschied und/oder in Anwendung des Epidemiengesetzes unter Quarantäne gestellt wird, so liegt der Grund für die Arbeitsverhinderung nicht mehr in der Person des Arbeitnehmers, sondern es gelten die Regeln gemäss höherer Gewalt. Hier hat der Arbeitnehmer keinen Lohnanspruch bzw. der Betrieb muss den Lohn nicht bezahlen.

Was passiert, wenn die Schule geschlossen wird?

Sollte es zu länger dauernden Schulschliessungen kommen und ein Arbeitnehmer müsste deswegen seine schulpflichtigen Kinder beaufsichtigen, gilt die gleiche Regelung wie bei der Quarantäne eines ganzen Gebiets. Auch hier würden die Regeln der höheren Gewalt gelten, was bedeutet, dass der Grund der Arbeitsverhinderung nicht mehr in der Person des Arbeitnehmers liegen würde. Er verliert dadurch seinen Lohnanspruch. Kurzfristig dürften jedoch gestützt auf Art. 324a OR die gleiche Regelung gelten wie bei der Pflege eines kranken Kindes. Der Arbeitnehmer kann kurzfristig der Arbeit fernbleiben, er ist aber verpflichtet, innert nützlicher Frist (gemäss Praxis innert 3 Tagen wie bei der Krankheit) eine Betreuung zu organisieren.


Dieser Beitrag wurde von RAin Anita Hug und RA Yves Gogniat verfasst.

Für weiter gehende Auskünfte wenden Sie sich an Arife Asipi.