Digitalisierung des Vertragsabschlusses

Der digitale Abschluss von rechtsverbindlichen Vereinbarungen auf Distanz ist nicht erst seit der Corona Pandemie ein Thema, aber die Pandemie hat der Thematik nochmals einen Schub gegeben. Durch das vermehrte (temporär hoheitlich angeordnete) Homeoffice wurde es in vielen Unternehmen schwierig, kurzfristig zwei zeichnungsberechtigte Personen aufzutreiben, die gemäss den geltenden Unterschriftsregelungen einen Vertrag abschliessen dürfen. 

Der Bundesrat hat sodann die gesetzlich vorgesehene physische Authentifizierung für den Erhalt einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES) – dem äquivalent einer handschriftlichen Unterzeichnung – temporär aufgehoben und die virtuelle Authentifizierung erlaubt. Obwohl dies sicher eine sinnvolle Massnahme war, ist bei genauer Betrachtung in den meisten Fällen keine QES notwendig. Bevor auf den Einsatz von digitalen Signaturen eingegangen wird, lohnt es sich daher einen Blick auf die allgemeinen Anforderungen eines Vertragsabschlusses und die anwendbaren Formvorschriften zu werfen. 

Übereinstimmende Willensäusserung

Das Schweizer Obligationenrecht schreibt im Grundsatz vor, dass zum Abschluss eines Vertrages die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich ist (Art. 1 Abs. 1 OR). Eine solche Willensäusserung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen (Art. 1 Abs. 2 OR). Ein Vertragsabschluss muss daher nicht unbedingt schriftlich erfolgen. 

Schriftlichkeit

Sofern das Gesetz keine besondere Form vorsieht, kann ein Vertrag auch stillschweigend oder mündlich geschlossen werden. Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form (wie z.B. Schriftlichkeit), wenn das Gesetz eine solche vorschreibt (vgl. Art. 11 OR). 

Aus Beweisgründen ist es riskant, sich lediglich auf eine mündliche Vereinbarung zu verlassen, weshalb von den Vertragsparteien in vielen Fällen die schriftliche Form gewählt wird. Für viele Vertragsformen ist die schriftliche Form mittlerweile so fest im Alltag verankert, dass fälschlicherweise von einem Schrifterfordernis ausgegangen wird. 

Im Schweizer Recht gibt es jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Verträgen, welche die einfache oder qualifizierte Schriftlichkeit oder gar eine öffentliche Beurkundung verlangen. Im täglichen Geschäftsbetrieb lassen sich die üblichen Verträge ohne Unterschriften abschliessen. Den meisten Unternehmen ist dies aber zu unsicher und sie verlangen eine Form der Unterzeichnung oder Bestätigung. Die digitale Übermittlung oder die digitale Unterzeichnung bergen einige Gefahren, da die Beweiskraft bei falscher Handhabung schnell einmal verloren geht. 

Digitalisierte Verträge

Eine mögliche Form der Bestätigung ist die Unterzeichnung eines physischen Dokuments, welches anschliessend eingescannt und per E-Mail an die Vertragsparteien gesandt wird. Dies hört sich als eine einfache Methode an, birgt jedoch Rechtsrisiken, da ein Medienbruch und allenfalls ein Beweisproblem entsteht. Wird die Echtheit der Unterschrift durch den Unterzeichner bestritten, müsste die Echtheit durch die andere Partei bewiesen werden. Das Bundesgericht hat jedoch in einem Entscheid (9C_634/2014) festgehalten, dass bei einem Nicht-Original keine grafologisches Prüfung der Unterschrift möglich sei. In den meisten Fällen wird in einem Zivilprozess die Unterschrift nicht bestritten und der Beweis wird nicht alleine durch diese eine Urkunde geführt aber nichtsdestotrotz erhöhen sich bei diesem Vorgehen die Risiken. 

Das Risiko lässt sich zumindest reduzieren, wenn darauf geachtet wird, dass der gescannte Vertrag vom persönlichen Geschäfts-E-Mailaccount (am besten mit Signatur) versandt wurde und alle Unterzeichnenden in Kopie gesetzt sind. Dies bedingt aber, dass der Empfänger die E-Mail zusammen mit dem gescannten Dokument anschliessend rechtskonform gemäss GebüV archiviert. Zusammen mit dem E-Mail sollte es möglich sein, eine Bestreitung der Unterzeichnung zu widerlegen. Leider kann die Aufbewahrung von diverseren E-Mails schnell mühsam und unübersichtlich werden, was eine rechtssichere Umsetzung eher umständlich macht.

Elektronische Unterschrift (elektronische Signatur) 

Ein Medienbruch kann durch eine digitale Umsetzung vermieden werden. Es gibt hier bereits diverse Anbieter, welche diesen Service als Plattform anbieten. Bei der Auswahl ist jedoch genau zu prüfen, welche elektronischen Signaturen verwendet werden. 

In der Schweiz ist die elektronische Signatur im ZertES und in der EU in der eIDAS-Verordnung geregelt. Beide Gesetze kennen drei vergleichbare Arten von elektronischen Signaturen

  • Einfache elektronische Signatur (EES): Geeignet für Dokumente ohne grosses Haftungsrisiko und eher informellen Charakter.

  • Fortgeschrittene elektronische Signatur (FES): Geeignet für Dokumente mit kalkulierbaren Risiken und ohne gesetzliche Formvorschriften.

  • Qualifizierte elektronische Signatur (QES): Geeignet für Dokumente mit hohen Risiken und/oder der gesetzlichen Formvorschrift der Schriftlichkeit.

  • Zusätzlich kennt die Schweiz noch das geregelte elektronische Siegel.

Obwohl beide Gesetze vergleichbare Definitionen und ähnliche technische Vorgaben machen, besteht kein bilaterales Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung. Dies birgt vor allem bei einem grenzüberschreitenden Einsatz entsprechende Nachteile. Im schlechtesten Fall könnte die Gültigkeit einer ausländischen EES oder FES in einem Schweizer Verfahren bestritten werden. Dies würde im besten Fall zu einem erhöhten Beweisaufwand führen und im schlechtesten Fall zur Zurückweisung des Vertrages als Beweismittel. Es gibt jedoch auch praktische Nachteile: Die Schweizer und die EU-Signatur können nicht in einem Dokument kombiniert werden. In diesem Fall müssten somit zwei unterschiedliche Dokumente erstellt und signiert werden. 

“Besteht ein Schriftlichkeitserfordernis (gesetzlich oder vertraglich) kann für Dokumente unter Schweizer Recht nur eine Schweizer QES verwendet werden”

— Yves Gogniat

Besteht ein Schriftlichkeitserfordernis (gesetzlich oder vertraglich) kann für Dokumente unter Schweizer Recht nur eine Schweizer QES verwendet werden, da dies Art. 14 Abs. 2bis OR so vorschreibt. Die QES ist jedoch selbst in der Schweiz noch nicht so stark verbreitet und kaum ein ausländischer Unterzeichner wird eine Schweizer QES haben. 

Beim Einsatz von elektronischen Signaturen muss ein Unternehmen zuerst eine Risikoanalyse vornehmen und entsprechende Prozesse definieren. Es gilt zudem sicherzustellen, dass für Verträge mit Schriftlichkeitserfordernis immer eine QES verwendet wird.  

Vertraglich vereinbarte Schriftlichkeit

Als Unternehmen ist man damit konfrontiert, dass sich in den meisten Verträgen eine Klausel zur Schriftform findet. Nachfolgend ein Beispiel einer solchen Standardklausel: 

«Sämtliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Als Änderung oder Ergänzung ist jegliche Hinzufügung, Streichung oder Modifikation einzelner Regelungen zu qualifizieren. Dies gilt auch für eine Änderung dieser Abrede über die Schriftform.»

Durch die vertraglich vereinbarte Schriftform lässt sich nur eine QES zur Unterzeichnung oder Abänderung solcher Verträge einsetzen. Bei Einzelverträgen muss die Klausel somit entsprechend angepasst werden. Da dies jedoch schnell vergessen geht, halten Unternehmen mit häufigen Transaktionen besser eine Abweichung vom Schrifterfordernis in einer Rahmenvereinbarung fest. So könnte darin festgehalten werden, dass in Abweichung zum Schriftformvorbehalt auch eine EES oder FES Signatur verwendet werden kann.  

Zeichnungsberechtigungen und Kollektivunterschrift

Nur weil plötzlich eine elektronische Signatur verwendet wird, heisst das noch nicht, dass interne oder öffentliche Zeichnungsberechtigungen aufgehoben sind. Es ist daher auch weiterhin darauf zu achten, dass bspw. die Kollektivunterschrift eingehalten wird. Besteht ein Zeichnungs- und Vertretungsreglement sollte dies entsprechend angepasst und darin auch die elektronische Unterzeichnung erklärt und geregelt werden. 

Gerne unterstützen wir Sie bei der rechtskonformen Einführung der digitalen Vertragsunterzeichnung sowie bei weiteren Digitalisierungsprojekten. Wir können für Sie gerne entsprechende Standardklauseln oder eine Rahmenvereinbarung erstellen sowie prüfen, welche Vertragsformen weiterhin eine schriftliche oder QES Unterzeichnung benötigen. 


Dieser Beitrag wurde von RA Yves Gogniat verfasst.

 Bitte wenden Sie sich direkt an Balthasar Wicki.